Erinnerungen an Gerd

von Colin Stegner

Wenn ich an meinen Vater Gerd Stegner zurückdenke, dann denke ich unweigerlich an das Thema Schlagzeug. Es war nicht nur ein Hobby, das zum Beruf wurde. Es war seine Passion, der rote Faden in seinem Leben.

Von den vielen Beileidsbekundungen, die uns nach seinem Tod im September 2023 erreichten, sticht in dem Zusammenhang eine heraus. Ein Musikerkollege beschrieb ihn so: "Gerd war einer von den Guten". Das war er wirklich.

Rückblickend möchte ich einige Impressionen aus meiner Perspektive erzählen.

Als ich 1985 zur Welt kam, war mein Vater mit 29 Jahren schon eine feste Musikgröße in der Region. In unserem Haus klebten Poster seiner Bands wie "Scooter - Muppet Rock" oder "Fat Rat" - mit schwarzer Tusche gezeichnet auf gelbem Plakatpapier, richtig nostalgisch.

Schon bevor ich im Kindergartenalter die ersten bewussten Erinnerungen hatte, gibt es Fotos von mir an Papas Schlagzeug. Es gehörte einfach zum Interieur.

Auch Auftritte seiner Bands "Years Ago" und "Agathon Sax", von der Fußgängerzone bis zum Grillplatz im heimischen Bottenbach und ein Benefizkonzert für die Gruppe "Limerick" sind mir im Gedächtnis geblieben.

Ich selbst fing auch mit Schlagzeugspielen an und konnte durch Papas Unterstützung viel dazulernen. Niemand konnte so einfach mithilfe des Genesis Songs "No Son of Mine" den 4/4 Takt erklären wie Gerd. Und als Anreiz für ein Solo gab es den Verweis auf Van Halens "Jump".

1995 dann die große Entscheidung, als zweites Standbein die Firma St drums zu gründen - damals fing alles in unserem Wohnhaus in Bottenbach an. Immer mehr Musiker fanden ab da den Weg in unser 700 Seelen Dorf.

Auf dem Weg zu meiner Schule in Pirmasens gab es einen kurzen Halt beim Tante Emma Laden in Bottenbach. Kurz die Annoncen Zeitungen "Findling" oder "Sperrmüll" gekauft, ich durfte dann Gerd vorlesen, was ich nicht verstand unter Musikinstrumente / Schlagzeug: 12 TeeTee, 14 Efftee, 14 Ess-Enn, 22 Bee-Dee... Jeweils wurden die Anzeigen kommentiert mit: "Nee, is nix" oder "Sag mir Mal die Nummer". Die Telefonate mit den Anbietern wurden auch fachmännisch vorselektiert: "Was steht denn drauf? Ludwig oder Sonor?"

Ich glaube im Laufe der Zeit hatten wir so einen großen Teil der Region Saar-Pfalz nach verborgenen Schätzchen durchforstet. Lange vor den Online Anzeigen, die heute jeder kennt.

Auch auf der Rückfahrt ging es um Musik. Nach 10 Stunden Schulunterricht nahm mich Gerd wieder mit nach Hause und spielte "Lights" von Journey ab. Vor der Kulisse der Dämmerung und den Lichtern der Stadt.

Ich glaube, seine Auswahl hat auch meinen Musikgeschmack nachhaltig geprägt.

Das Geschäft wuchs, um die Jahrtausendwende bekamen wir dann eine eigene Website, danach ging es steil bergauf. Irgendwann wurde der Platz im Wohnhaus immer knapper. Von der Garage bis zum Dachboden war alles Erdenkliche mit Trommel-Teilen belegt.

Also mieteten wir beim Bauern nebenan ein Lager, auch liebevoll "Werk Süd" genannt.

Mein Vater war spendabel, wenn er sich für etwas begeistern konnte. Auf der Musikmesse in Frankfurt hatte ich mein damaliges Traumset getestet, ein Roland E-drum. Ich war hin und weg von den Loops und dass man problemlos ohne jemanden zu stören, Lieder üben könnte.

Mein Zivildienst-Abschiedsgeld war aber nicht genug, also hat Gerd die Hälfte des Kaufpreises übernommen und ein Rack zum Aufhängen gespendet. Das Set hab ich heute noch.

Während meiner Ausbildung 2005-2008 zum Mediengestalter kam Gerd mehrmals mit Projekten auf mich zu.

Ich durfte eine Trommelschablone, Anzeigen, ein Logo Badge und bedruckte Folie gestalten. Papa hatte immer ein Ziel vor Augen, war dabei aber auch für Gestaltungsmöglichkeiten offen.

Als Gegenleistung wünschte und bekam ich eine Armbanduhr und auch zwei Akustikgitarren, die zwar nicht so toll klingen, dafür aber Designer-typisch grandios aussehen.

Während der Zeit mit seiner Band "Indian Summer" fiel ihm auf, dass er seine Hand nicht wie gewohnt beim Schlagzeugspielen einsetzen konnte. Das Signal vom Kopf kam einfach nicht an.

Wie sich 2007 herausstellte, war das Parkinson. Es sollte in den nächsten Jahren unser ständiger Begleiter werden.

2009 platzte das Wohnhaus aus allen Nähten, wir mussten im Sommer mit unserer Firma umziehen. Der neue Standort war Gerds Heimatstadt Pirmasens. Dort fanden wir in einer ehemaligen Fabrik für Hinterkappen ausreichend Platz und neue Expansionsmöglichkeiten.

Kurz darauf hatte ich die Ehre, für meinen Vater bei einer Countrymusik Formation am Schlagzeug einzuspringen. Wir spielten im berühmten ParkPlatz, DER Pirmasenser Musikszenenkneipe.

Ich selbst stieg 2012 bei meinen Eltern und St drums mit ein. Gerd war ein Allround Talent und wandelndes Lexikon. Auch wenn er manche Aufgaben anders löste als im Lehrbuch. Es funktionierte und es kamen mit dem Erfolg immer mehr Angestellte dazu.

Die Art und Weise wie er sich für Einzelteile begeistern konnte, ist bewundernswert. Er hatte in den letzten Jahren mit Aluminium an einem eigenen Strainer Prototyp gearbeitet. Ich hatte an einer unscheinbaren Snare einen sehr ähnlichen gesehen und musste ihm sein Herzensprojekt sofort zeigen. Gekauft. Später wurde daraus der "Vintage Style Strainer".

Ich bin 2020 Vater und Gerd dadurch Großvater geworden. Meinem Sohn Jonathan hatte er bald ein Custom Kinderschlagzeug mit Lefima Böckchen, foliert in Green Diamond gebaut.

In den letzten Jahren hab ich ihm immer öfter von Ideen und Projekten erzählt. Von Papas Expertise konnte ich nur profitieren. Er war immer ein guter Zuhörer mit seiner ganz eigenen diplomatischen, humorvollen und freundlichen Art.

Als ich 2023 die erste Raw Steel Snare angeboten habe, hat ihm dass so gut gefallen, dass er privat auch so einen 14x4" Schwarzstahlkessel haben wollte.

Es bedeutet mir sehr viel, dass dieser Kessel so viel Anklang bei Gerd fand, zudem es auch sein letztes Schlagzeug Projekt war.

Leider konnte er es selbst nicht mehr fertig stellen.

Was mir persönlich Trost gibt, ist der Glaube, meinen Vater in einer neuen Welt wieder zu sehen. Einer Welt ohne Parkinson.

Die, mit der er sich vor seinem Tod intensiver beschäftigt hat:

Menschen mit einem sanften Wesen werden die Erde besitzen, und sie werden größte Freude verspüren an Frieden im Überfluss. (Psalm 37:11)

Jesus erklärte: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird zum Leben kommen, auch wenn er stirbt." (Johannes 11:25)